125 Jahre Heimatverein Kempten – 90 Jahre Depot im Stadtarchiv

Die Geschichten des Heimatvereins und des Stadtarchivs sind eng miteinander verknüpft

Ursprünglich beschäftigte sich der „Altertumsverein“ (heute Heimatverein) mit der Erforschung des Cambodunum. Bild: Wikipedia

Die Geschichte des Heimatvereins Kempten, der am 9. Mai 2009 125 Jahre alt wurde, ist räumlich, inhaltlich und personell eng mit der jüngeren Geschichte des Stadtarchivs Kempten verflochten, auch wenn bis heute kein Stadtarchivar Vorsitzender des Heimatvereins gewesen ist.

Als das Stadtarchiv 1919 sein heutiges Domizil im Neubronnerhaus am Rathausplatz bezog (das 1980 bis 1983 um das benachbarte alte Zollamt erweitert wurde), erhielt dort auch der Heimatverein seine bis heute bestehende Bleibe in Form eines großen Raumes besonders für die Archivierung seines seit 1888 erscheinenden „Allgäuer Geschichtsfreundes“ und den damit einhergehenden Schriftentausch. Daran hat auch die 2002 geschaffene Geschäftsstelle des Heimatvereins in unmittelbarer Nähe zum Stadtarchiv nichts geändert, denn sie bietet nicht die Kapazitäten für die Aufbewahrung umfangreichen Schrifttums.

125 Jahre Heimatverein

Der Heimatverein gehört zu den ältesten Vereinen der Stadt. Er steht in seinen frühen Jahren in engem Zusammenhang mit der kulturpolitischen Offensive des Oberbürgermeisters Adolf Horchler (Amtszeit 1881-1919): Das Stadtoberhaupt war in den 1880er Jahren nicht nur wesentlicher Initiator für den Aufbau musealer Sammlungen und die Neuordnung von Stadtarchiv und Stadtbibliothek, sondern 1884 auch Mitbegründer und erster Vorsitzender des „Altertumsvereins“ Kempten (heute Heimatverein) und 1888 Mitbegründer der bis heute bestehenden Vereinszeitschrift „Allgäuer Geschichtsfreund“.

Die Aktivitäten des Vereins konzentrierten sich zunächst auf die Ausgrabung und Erforschung des römischen Cambodunum, gingen aber inhaltlich und räumlich schnell über die Archäologie und Kempten hinaus, so dass 1909 die Umbenennung in „Historischer Verein zur Förderung der gesamten Heimatkunde des Allgäus“ erfolgte.

In der Ära des Kemptener Oberbürgermeisters, Burgen- und Heimatforschers Dr. Otto Merkt (Amtszeit 1919-1942) hieß der Verein schlicht „Heimatdienst Allgäu“, ehe schließlich 1956 unser „Heimatverein Kempten“ daraus wurde, organisiert im Dachverband des „Heimatbund Allgäu“.

Merkt war es auch, der als erster in Bayerisch-Schwaben und darüber hinaus in ganz Deutschland 1929 die bisher ehrenamtliche Heimatpflege fest institutionalisierte und die ersten verbeamteten Heimatpfleger berief, unter denen besonders der 1935 bis 1970 tätige Dr. Dr. Alfred Weitnauer als Bezirksheimatpfleger von Schwaben (mit Dienstsitz in Kempten!) weithin bekannt wurde. Aber auch die Kemptener Stadtarchivare wusste Merkt von Anfang an als Schriftführer, Referenten und Autoren in die Arbeit seines Heimatdienstes einzubinden, beginnend mit dem ersten Archivar 1919 im Neubronnerhaus, dem bis 1947 tätigen altkatholischen Pfarrer Friedrich Heinrich Hacker aus Burghausen, der in Personalunion auch das Amt des Stadtbibliothekars versah – im Gegensatz zu Weitnauer freilich noch ehrenamtlich.

Auf die Männer der ersten Stunde wie Bürgermeister und Hofrat Adolf Horchler, Maler Joseph Buck, dem liebevollen Porträtist des alten Kempten, Buchhändler Ludwig Huber (Kösel-Verlag) und dem als Kulturmäzen bekannten Architekten Adolf Leichtle folgten Persönlichkeiten wie Kaufmann August Ullrich mit seinen Verdiensten um Cambodunum, Reichsarchivdirektor Franz Ludwig Baumann, der als „Geschichtsschreiber“ des Allgäus berühmt wurde, Rechtsrat Martin Kellenberger, Oberstudiendirektor und Museumspfleger Max Förderreuther, Josef Rottenkolber, der Erforscher der Geschichte des Fürststifts Kempten – und nicht zuletzt die bereits erwähnten Merkt, Weitnauer und Hacker.

Bestimmend, prägend und richtungweisend war Merkt selbst mit seiner unermüdlichen Schaffenskraft und seinem Organisationstalent. Das Stadtarchiv Kempten verdankt besonders ihm und Weitnauer weitläufiges Archivgut, das über den umfangreichen Nachlass Merkt und die Bildarchive Weitnauers hinaus gerade im dokumentarischen Bereich die klassische Schriftgutüberlieferung ergänzt und bereichert.

Der Heimatverein heute

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Arbeit des Heimatvereins engagiert fortgeführt, was Persönlichkeiten wie Horchler und Merkt geschaffen hatten. Als Vorsitzende amtierten auch weiterhin heimatforschende Fachleute, seien es Geschichtslehrer, historisch versierte Leiter von Baubehörden, Spezialisten im Vermessungswesen und in der historischen Topographie oder Architekten mit Studium auch in Geschichte und Kunstgeschichte.

Nie stand ein interessierter Laie an der Spitze des Vereins, was freilich deren wertvolle und unentbehrliche Mitarbeit in der Vorstandschaft und vielfach auch in der Mitgliederschaft keinesfalls schmälern soll.

Die Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv bei Vorträgen, Führungen, Ausstellungen, Tagungen und Publikationen ist bis heute intensiv und fruchtbar geblieben. Gemeinsam wurde neben dem Allgäuer Geschichtsfreund 2006 die neue Reihe „Allgäuer Forschungen zur Archäologie und Geschichte“ gegründet.

Gerade das Engagement qualifizierter Persönlichkeiten hat dem Heimatverein stets ein klares Profil verliehen und befähigt, offensiv und kritisch die Dinge beim Namen zu nennen, dabei auch Stellung gegenüber Erscheinungen und Auswüchsen des Zeitgeistes zu beziehen. So wird die Stimme des Heimatvereins gerade auch in der Kommunalpolitik nicht nur gehört, sondern auch ernst genommen.

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