Informationen der Diakonie Kempten

Wenn wir uns als Diakonie im Altstadtbrief zu Wort melden dürfen, dann stellen wir gerne die enge Verbundenheit mit den Altstadtfreunden heraus. Im Jahr 2004 zeigte sich diese augenfällig im Altstadtfest. Dass das Fest, zusammen mit dem Kindertag, eine Werbung für die Altstadt ist, darüber sind wir uns wohl einig. Auch wenn wir die Gesamtausrichtung in Händen haben, wäre es ohne die Hilfe der Altstadtfreunde nicht in dieser Art möglich. Ihnen allen also herzlichen Dank für den ehrenamtlichen Dienst am Getränkeausschank.

Nun möchten wir heute ein Thema in ihrem Heft ansprechen, das sicher nicht nur altstadtspezifisch ist. Ein Thema das uns das ganze Jahr 2004 beschäftigte und weiter beschäftigen wird. Ein Thema das nicht nur die Diakonie sondern eine große Anzahl von Bürgern in unserem Land betreffen wird, auch Mitbürger aus der Altstadt. Ich spreche von „Hartz IV”. Wenn wir die Diskussionen und Proteste zu diesem Thema vergegenwärtigen, würde es uns nicht wundern, wenn „Hartz IV” zum Unwort des Jahres 2004 gekürt wird. Nun hat Herr Hartz, als Personalvorstand von VW, es nicht verdient, dass sein Name ein „Unwort” wird. Seine Aufgabe war, aus seinen Erfahrungen aus der Führung eines Unternehmens, das Unternehmen Deutschland mit Ratschlägen zu bedienen, wie es denn aus der sozialwirtschaftlichen Schieflage kommen könnte. Dabei beurteilte er die Situation in Deutschland unter Einbeziehung der Entwicklungen in Europa, ja der ganzen Welt. Das scheint mir wichtig, denn viele gut meinende Menschen argumentieren so, als könne Deutschland losgelöst von Außeneinflüssen seine Regeln nur für sich entscheiden. Sie verkennen, dass wir nur eine kleine, saturierte Volkswirtschaft sind, die dynamischere Nationen auf der Welt zu Konkurrenten hat.

Von dem her hat Herr Hartz schlicht festgestellt, dass wir zwar wunderbare Sozialsysteme haben, dass wir sie aber in dieser Üppigkeit und Progression nicht beibehalten können, wenn wir weltweit oder gar schon europaweit unsere Position halten möchten. Aus dieser Beurteilung der Situation entstanden mehrere Vorschläge an die Bundesregierung, bekannt geworden als „Hartz I, II, III und IV”, die diese in Gesetze formte. Hartz IV, das „Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt”, hat insbesondere die Zusammenführung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zum Inhalt. Die Zusammenführung soll die Verwaltung vereinfachen und die Sozialkasse entlasten. Man will damit Personen aufscheuchen, die sich in der legendären „Sozialen Hängematte” ausruhen und sie schneller zu jedweder Arbeit führen. Andere grundsätzliche Überlegungen fließen dort auch ein, z.B. die, dass die Arbeitslosenversicherung nur noch zeitlich begrenzt das letzte Nettogehalt als Berechnungsgrundlage für das Arbeitslosengeld hernimmt. Anschließend fallen Langzeitarbeitslose, wenn sie Unterstützung brauchen, auf das Versorgungsniveau der Sozialhilfe.

Man kann zu diesen Veränderungen die unterschiedlichsten Argumente Pro und Contra anführen. Natürlich ist die Umsetzung der Einzelsituationen auch viel komplizierter als gedacht. Darin möchten wir uns jedoch nicht ergehen. Uns geht es um etwas anderes. Dieses Gesetz wurde schon vor Jahresfrist in den verschiedenen Gremien diskutiert und mehrheitlich, über alle Parteien hinweg, verabschiedet.

Es kann doch nicht sein, dass wir das nun wieder grundsätzlich in Frage stellen. Können wir denn nicht mit aller Kraft zuerst einmal die Veränderungen beginnen und nicht gleich alles kaputt reden? Das neue Gesetz ist ein Paradigmenwechsel in unserer Sozialgesetzgebung. Es wird die soziale Fürsorge des Staates auf eine andere Basis stellen. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass nach Inkrafttreten eines solchen Gesetzes noch Änderungen und Anpassungen im Gesetzestext vorgenommen werden. Diese Änderungen werden sich über Jahre hinziehen, denn es werden immer neue Härtefälle zu Tage treten, die gesetzliche Anpassungen notwendig machen. Dieses Gesetz in der jetzigen Form wird für viele Personen finanzielle Einbußen mit sich bringen. Aber wir müssen die Entscheidung, die unsere Politiker getroffen haben, zuerst einmal zur Wirkung bringen.

Für mich lahmt an diesem Gesetz auch Vieles. So werden mit diesem Gesetz keine neuen Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, um Langzeitarbeitslose zu vermitteln. Auch ein wirtschaftlicher Aufschwung wird nicht in ausreichendem Maße Arbeitsplätze schaffen. Es gibt noch sehr viele offene Fragen. Trotzdem sehe ich zur Zeit keine andere Möglichkeit als dieses Gesetz umzusetzen und als Solidargemeinschaft Hilfen anzubieten. Ich kenne schon all die Gegenargumente, wo man denn zuerst einmal anfangen sollte zu verändern. Von den Managergehältern bis zur Erbschafts- und Vermögenssteuer und der dahinter liegenden Meinung, erst mal an das Geld der „Reichen” zu gehen. Ich selber befürchte nur, dass das ziemlich kurz gedacht ist, nämlich national oder lokal begrenzt. Wir sind nicht allein auf der Welt. Und wer reich ist, der ist ganz schnell in Florida oder in Luxemburg oder auf den Bahamas oder in Liechtenstein, auch das Kleine Walsertal ist nicht weit.

Wir glauben, dass die Veränderung des Sozialstaates wieder stärker die Bürgergesellschaft verlangt. Das Zusammenhalten in schwieriger Zeit. Wir brauchen den Traum, dass wir mit Verzicht eine schwierige Zeit, die uns viel abverlangen wird, bewältigen und wieder zu einer neuen volkswirtschaftlichen Stärke gelangen. In dieser Umgestaltung des Sozialstaates, der die niederen sozialen Schichten härter trifft als die oberen, müssen wir die Solidarität der Starken, der Reichen, der Verantwortlichen einfordern. Beginnen wir also unsere Potentiale neu zu entwickeln. Wir als Diakonie in der Altstadt versuchen z.B. in der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit (KASA) mit Rat und Tat für Andere dazu sein (dazu auch die Information der Leiterin der KASA, Frau Kuhles). Wir lösen nicht alle Probleme. Aber wir tun was wir können, damit die Bürger/innen ihr Selbsthilfepotential entdecken. So möchten wir sehr gerne einen „Laden” für günstige Einkäufe (Kleider + Hausrat) in der Altstadt eröffnen, in dem auch eine Infowand mit Angeboten und Nachfragen von Personen aus der Altstadt (oder der ganzen Stadt) steht, die sich gegenseitig über ihre Möglichkeiten an Hilfen informieren. Hoffentlich schaffen wir es aus dem Jammern heraus zu kommen und gemeinsam ausgewogene Hilfen zu gestalten die uns nicht überfordern sondern zu neuer Gemeinsamkeit führen.

Von Wolfgang Grieshammer, Geschäftsführer Diakonie Kempten

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