Liebe Leser und Leserinnen des Altstadtbriefes,
liebe Freunde der Stiftsstadt
Wer die täglichen Meldungen aus unserer Bundeshauptstadt noch erträgt, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dort gigantische Behördenapparate und Ministerialstäbe überwiegend damit beschäftigt sind, den Menschen schauderliche Dinge häppchenweise und möglichst publicityschonend nahe zu bringen.
Fakten, die ohnehin offensichtlich sind oder vom gesunden Menschenverstand längst erahnt werden. Um so mehr muss man sich in Zeiten der verwalteten Lethargie und allgemeinen Perspektivlosigkeit freuen, wenn Menschen ihr Schicksal selber in die Hand nehmen. Ich will versuchen, Sie in der Vorweihnachtszeit wenigstens mit ein paar solchen Beispielen erfreulicher Aktivitäten zu trösten, die ich in unserer Stiftsstadt entdecken konnte.
Das Beispiel einer Familie mit zwei Kindern zeigt, dass es sich immer noch lohnt, in die Hände zu spucken und anzupacken. Sie hat das Haus Stiftsgartenweg 8 erworben und ihren Bedürfnissen entsprechend umgebaut. Ins Alter gekommene Bausubstanz und moderne Wohnanforderungen müssen sich nicht ausschließen. Ganz im Gegenteil: Garten, Balkon und Vorgarten mitten in der Stadt, davon können junge Familien oft nur träumen.
Erfreulich ist auch die Sanierung des „Grünen Hauses” an der Fürstenstraße. Das den Kapellenplatz stark mitprägende Gebäude mit der Hausnummer 10 wurde bis auf die Kellermauern abgetragen und heuer ebenfalls fertiggestellt. Der Neubau erinnert in seiner Proportion und Fassadengestaltung an seinen Vorgänger, dem der Zahn der Zeit arg mitgespielt hatte. Auch hier entstand neuzeitlicher Wohnraum und im Erdgeschoss eine für unser Viertel so typische kleine Gewerbeeinheit. Auf dem „Kösel-Gelände” wurden die alten Verlags- und Druckereigebäude abgebrochen und von den vorgesehenen Wohngebäuden lugen zum Jahresende die betonierten Keller bereits aus der Baugrube heraus. Über 50 Wohneinheiten mit bis zu 150qm großen Wohnungen lassen hoffen, dass auch dort genügend Wohnungen angeboten werden, die für Familien mit Kindern geeignet sind. Eine Investition in solch einer Größenordnung spricht für die Beliebtheit dieser innerstädtischen Lage.
Das ehemalige Gefängnis an der Weiherstraße wurde von der Firma Sozialbau erworben. Es scheinen die Dinge dort auch endlich in Bewegung zu kommen. Nach aktuellem Stand sollen hier 15 oder 16 Reihenhauseinheiten auf der Grundlage des bestehenden Bebauungsplanes entstehen. Eine Wiederöffnung des Hafnergässeles und damit einhergehend die längst überfällige ordentliche Gestaltung des angrenzenden, bis heute nur provisorisch angelegten Spielplatzes ist somit wieder ein Stückchen näher gerückt.
Zwischen den nördlichen Enden von Lorenz- und Weiherstraße entstanden eine Reihe neuer Wohngebäude. Entlang des begrünten Fußweges an der Weiherstraße wurde eine bislang als Garten genutzte Grünfläche zugebaut.
Im Straßen- und Tiefbau gehen die dringend notwendigen und längst überfälligen Kanal- und Straßenbauarbeiten wenigstens schrittchenweise voran. So wurden Schlossergasse und Gesellenweg neu gepflastert und in Weiher- und Lorenzstraße Kanalbauarbeiten durchgeführt. Stille ist allerdings eingekehrt bei den Themen Straßenrenovierung in der Lorenzstraße und in der Brachgasse.
Die beharrliche Forderung der Stiftsstadtfreunde zur Schaffung neuen erschwinglichen Wohnraums auf dem ehemaligen Kasernengelände an der Herrenstraße fiel endlich auf fruchtbaren Boden. Es wurde ein Ideenwettbewerb ausgelobt, der teilweise erfreuliche, teilweise bedenkliche Ergebnisse mit sich brachte. Begrüßenswert ist die aufgelockerte Anordnung der Baukörper inmitten durchgrünter Rasen- und Baumflächen. Weniger begeistern die enormen Geschosshöhen (bis zu fünf Geschosse) und die Ausbildung von Flachdächern, was beides letztendlich nicht wirklich stiftsstadttypisch ist. Auch hier mahnen wir an, auf ein ausreichendes Angebot für Familien zu achten.
Bei all der Freude über vorgesagte Fortschrittchen, soll aber auch nicht vergessen werden, dass noch viele Dinge im Argen liegen, die wir mit Argusaugen beobachten müssen.
So hat die Diskussion um die Neuansiedelung des Möbelhauses Neubert große Verunsicherung ausgelöst, welcher Standort denn nun der bessere sei. Ist der Süden der Stadt nicht ohnehin mit Konsummagneten zu sehr übergewichtet? Hat die „Knochentheorie”, deren tragende Idee ja eine Ausgewogenheit zwischen Nord und Süd war, plötzlich keine Gültigkeit mehr? Ein Jahr Forum Allgäu zeigt, dass am anderen Ende der Stadt die Leerstände von Geschäften auf keinen Fall ab-, sondern eher immer mehr zunehmen. Wer’s nicht glaubt, möge mal den Zustand des Einzelhandels in Fußgängerzone, Gerberstraße und am St.-Mang-Platz betrachten.
Als Glücksfall im Unglück hat sich der Fortbestand des traditionsreichen Modehauses Wagner erwiesen, das in der zurückliegenden Adventszeit Insolvenz anmelden musste. Durch den raschen Einstieg eines neuen Betreibers konnte ein Großteil der Arbeitsplätze gerettet und der trostlose Leerstand dieses Gebäudes vermieden werden. Letzteres hätte dem weiter nördlich liegenden Einzelhandel sicher größere Probleme bereitet.
Keine neue Perspektive besteht derzeit für das seit Jahren leerstehende Maria-Ward-Gebäude. Initiativen, das Haus mit neuem Leben zu erfüllen, haben bisher leider nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Zu hoher Sanierungsaufwand und zu wenig Interesse möglicher kirchlicher, städtischer oder privater Nutzer stehen hier einer sinnvollen Nutzung des ehemaligen Schulgebäudes im Weg.
Doch auch wer geschichtlich, kulturell oder einfach an Geselligkeit interessiert ist, ist in der Stiftsstadt gut aufgehoben. Unser Verein hat an zahlreichen Veranstaltungen mitgewirkt und sie organisatorisch unterstützt.
Das allseits beliebte traditionelle Stiftsstadtfest mussten wir wegen schlechten Wetters gleich an beiden vorgesehenen Tagen heuer leider endgültig absagen. Als kleines Trostpflaster für die vergeblichen Vorbereitungen führte Herr Ritter, Leiter des Staatlichen Hochbauamtes einige Interessierte durch das leerstehende Gefängnis und berichtete Wissenswertes über Geschichte und Alltag der JVA.
Unsere Jahreshauptversammlung wurde gekrönt durch einen Vortrag von Frau Kata, Mitarbeiterin im Stadtarchiv Kempten. Sie referierte anschaulich und kompetent über einzelne Burgen im Allgäu. Zuvor war Entlastung und Neuwahl des Vorstands angesetzt, wobei sich keine Änderungen ergaben.
Auch halfen wir bei der Organisation des „Tags des Offenen Denkmals”, und freuten uns, dass der Herr Stadtdirektor i. R. Schwappacher über das Thema „Schlangenbach” in Räumen der Fürstenschule sehr kurzweilig referierte und Herr Tiefbauamtsleiter i. R. Echtler eine stattliche Zahl Wanderfreudiger entlang dem Verlauf des verschollenen stiftsstädtischen Kleinods führte.
Im Sommer wurde wieder ein kleines Standkonzert am Platz vor der Seelenkapelle veranstaltet , das von uns mit dem Ausschank einiger Getränke versüßt wurde, so dass sich rasch eine sehr gemütliche und angenehme Atmosphäre entfalten konnte. Es hat den Anschein, als ob dieser Event einen festen Platz im stiftsstädtischen Jahresablauf einnehmen könnt
Das Jahr klingt aus mit einer besinnlichen Adventsfeier am 9. Dezember und, in Zusammenarbeit mit den Lehrern der Fürstenschule, mit einem weihnachtlichen Singen der Schulkinder in der Seelenkapelle am 16. Dezember.
Ich darf Ihnen und Ihren Mitgliedern, lieber Vorstand der Altstadtfreunde, im Namen aller Stiftsstadtfreunde danken für die freundschaftliche Zusammenarbeit und Ihr Interesse an der Stiftsstadt. Wir wünschen Ihnen und allen Lesern eine schöne Adventszeit, Gesundheit und Zufriedenheit fürs Neue Jahr und genügend Zeit und Muße, die festlichen Tage erholsam und bewusst zu genießen.
Ihre Stiftsstadtfreunde
Von Dipl. Ing. Michael Schuster, 2. Vorsitzender Stiftsstadtfreunde e.V.